Piet Mondrian / Barnett Newman / Dan Flavin im Kunstmuseum Basel
Eine Ausstellung, die ein formal
korrektes Vorgehen in ihrer Besprechung fordert, ist jene, die zur
Zeit im Kunstmuseum in Basel (bis 19.1.2014) zu sehen ist. Vielleicht
ist „sehen“ der falsche Ausdruck. Man könnte nun einwenden, dass
es doch bei Malerei eigentlich immer um das „Sehen“ ginge. Doch
hier ist es möglicherweise, nicht nur aufgrund des dritten
Künstlers, ein Schritt zu wenig...
Kommt man also die Stiegen hoch,
passiert eine riesige Arp-Skulptur, flankiert von Gemälden des
abstrakten Expressionismus: im Aufgang zwei von Sam Francis, ein
schwarz be- bzw. gefleckt übermaltes und ein recht lockeres weißes;
wird oben im Foyer erst einmal die Farbe zurückgenommen. Etwas aus
der Mitte gesetzt, ein Clifford Still sowie rechts daneben ein
Gemälde von Franz Kline. Diese beiden in schwarz weiß gehaltenen
Bilder zeigen an den Rändern (Still) und im Zentrum (Kline) untere
Malschichten, farbig, sowie das Gewebe der Leinwand, die
Materialität, den Grund.
Sie werden denken, was das mit der
Ausstellung zu tun hat. Besonders wenn ich nun auf den grauen und
groben Steinboden, Fließen, ca. 50 oder 60 cm, quatratisch, zu
sprechen komme. Sie müssten mir vorwerfen, in meiner Auflistung, die
in düsteren Tönen (in grau) gehaltene Arbeit von Alexander Calder,
die über der Stiege, direkt vor und ober der zentralen Skulptur von
Hans Arp, hängt, nicht zu erwähnen. Sie sollten mich fragen, welche
Farbe die Wände haben, wie sie beschaffen sind. Ich müsste
antworten, dass sie leicht ins cremefärbige gestrichen sind und sich
etwas mit den Gemälden brechen, sowie dass sie grob – ähnlich dem
Steinboden – beschaffen ist. Sie wirke, als ob sie selbst Gewebe
wäre.
Haben wir also – oben angekommen –
zwei mehr oder weniger unbunte Bilder vor uns, so schwenken wir nun
nach links ab und sehen drei schmale hochformatige Banner, worauf
jeweils oben eine Fotografie des Künstlers inmitten seiner
jeweiligen Werke im Atelier zu sehen ist, schwarz-weiß, darunter das
Leben mit Hilfe chronologischer Eckdaten aufgetröselt. Fängt man
unten zu lesen an, bemerkt man, dass alle drei bereits tot sind.
Die schwarzen Polstermöbel, Hocker und
Couch sind schräg gegenüber, weit entfernt. Man liest also stehend,
wenn man es überhaupt liest, oder besser die in mundgerechterer Form
bereitliegende Broschüre nimmt, die vor der Schwelle in den ersten
Saal, griffbereit liegt.
Nun wandelt sich der Boden. Ein helles
Parkett. Es wandelt sich auch die Wand, denn sie gewinnt an Blässe
und Dichte. Der gewohnte White Cube strahlt. Man und frau tritt
hinein in die Ordnung. Ein Saal mit 3, 3, 6 und 3 Bildern an den vier
Wänden, allesamt von Piet Mondrian. Beim ersten Bild erkennt man
noch den Baum, man hat ihn im Hinterkopf, sodann ist er aber
abgeschüttelt. An diesem Bild, das Grau- und Beigetöne vereint,
sieht man den Übergang von der bisherigen Kunst in Mondrians Welt,
die sich bereits daneben dem Betrachter eröffnet. Die Decke besticht mit ihrer Lichtkonstruktion - ein Stahlraster mit Glasplatten -, bei der man geneigt sein mag, Mondrian weiterzudenken, hinauszudenken, hinein ins Licht.
Die originalen hölzernen Bildrahmen in den
applizierten neuen Rahmen fielen besonders auf. Angebrachte Leisten.
Die Leinwände sind zum Teil nicht über den Rand der Vorderfläche
gemalt. Was bei Mondrian immer wieder besticht ist seine Einfachheit,
seine Abstraktion als „Abgezogenes“. Malerei als formale
Beschränkung auf Muster und Struktur: Geordnete Farbfelder, die in
Balken gehalten werden, jedoch umgedreht halten diese Farbfelder auch
die Balken. Es gibt zu den Gemälden Mondrians eigentlich nichts zu
sagen, außer den Anspruch nach Gleichgewichtung, den sie durchaus verkörpern.
Dies ist auch in den Texten und Schriften des Künstlers nachzulesen,
wie der Begriff „Neo-Plastizismus“, welcher doch besonders auf
das Plastische verweist. Bei der Betrachtung möchte man sich fragen,
was unten und oben sei. Dann erkennt man, dass alle Bilder mit P.M.
und dem entsprechenden Jahr signiert und so ausgerichtet sind.
Dennoch sind gerade diese bunten Flächen und Möglichkeiten es
hinten oder vorne, so oder so oder doch so zu lesen. Dies lässt uns an
schwebende Balancen denken, die nicht fix sind, aber gerade dabei
sich auszutarieren. Linien sind nicht immer durchgezogen, stoppen,
lassen die Farbe über, geben sie Preis, als ob die Struktur sich nur
sanft aber bestimmt darüberlegt, die Farben zudeckt und umgrenzt. Übermalungen sind
häufig, da es um das Finden der Balance geht, dennoch bestechen die Bilder gerade durch ihre Exaktheit und gleichmäßige Flächigkeit. Für Mondrian ist die
Balance weit mehr als nur bildimmanent, sie ist ganzheitlich gedacht.
Die Frage muss nun also sein, wie sich der Betrachter fühlt.
Der Autor fühlte sich ermutigt
weiterzugehen. Im zweiten Saal traf er dann u.a. auf „New York City“
von 1941, welches eine Collage darstellt. Bunte Klebestreifen
verdecken die schwarzen Balken. Ist es nun ein Offenlegen des
Prozesses? „Eine Befreiung der Farbe“? Weiße Punkte an den
schwarzen Kreuzungen sind das Letzte was man von Piet Mondrian sieht.
Überschreitet man die Schwelle nun, zieht
sich diese Überklebung erst einmal am Boden als Leiste weiter. Es ist gefordert nun
Abstand zu nehmen! Und ich sehe Barnett Newman 1944 in der MoMA
Retrospektive von Mondrian, wie ich nun den Übergang erlebe, wie er
besonders nah an den Bildern steht. Mystizismus und Malschichten, Übermalungen,
bebende Farbfelder. Newmans „Yellow Paining“ von 1949 zieht als erstes in
den Bann. Eine fluoriszierende Wirkung, verstärkt durch die zwei
hellen verikalen „zips“ - Streifen auf den Seiten. Das Gelb der
Mitte schimmert grün, es tritt eine grau schwarze Düsternis tief
hervor. Die unteren Malschichten machen sich bemerkbar. Die dunkelrot
abgezippte rechte Seite von „Eve“ aus 1950 macht den Eindruck
einer Raumkante, einer Inversion des Bildes, das – steht man
wirklich fast so nah, wie Barnett es gefordert hat und vielleicht zu
nah, als das Museum es erlaubt – dreht sich das Bild nach vorne
ein, klappt zu, ähnlich einem Flügelaltar, zudem versinkend in den
Farbschichten. Besonders im blauen „Day Before One“, welches
andere Tiefengrade des Blau zeigt, von der großen Fläche nach oben
und unten an die Ränder verdrängt.
(Foto: Fritz Müller)
Newman spielt in „The Moment I“ –
im vierten Saal – mit dem Disegno: Eine ungrundierte Leinwand, zwei
gelbe Zips, die vertikal über sie laufen. Nässe ist ins
naheliegende Gewebe ausgelaufen, frei gelassen, vom Material
ausgesaugt. Geht der Besucher weiter, so wird er/sie im fünften Saal
mit „Chartres“ aus 1969 konfrontiert. Hier scheint auf den ersten
Blick Newman Mondrian sehr nahe gekommen zu sein, doch das ist gar
nicht der Fall. Das Überschwappen Farbe ist eher ein Überschwappen
des Lichts. Nachbilder, Drehungen, Inversionen, sieht man lange –
mit unangestrengten bzw. -konzentrierten Auge – darauf. Die Buntheit
wandelt sich, die blauen Streifen werden zu gelben. Ähnlich
niedergeschnürt wie in der Kathedrale, welche sich so gesehen
eigentlich am wenigsten in der Form der Leinwand wiederfindet.
Der Gang in die Farbe ist das
Schwierigste in der Malerei. Es bedarf einer Sensibilität und dieser
bedarf es eine grundlegende Offenheit, die besonders durch die
Einschränkung zu finden ist. Haben wir bei Mondrian von einer
formalen Ausgewogenheit zu sprechen, so haben wir bei Newman an einen
freigesetzten Farbengrund zu denken. Beruhigt Mondrian, so beunruhigt
Newman, da sich der Grund vehement bemerkbar macht. So ließen sich
auch seine Themen wie Mythologie, oder „The Wild“ denken. Jene
Arbeit, die einzig ein Zip ist. Doch was hat es mit diesem Zip auf
sich, wie ein Reißverschluss ist er Mittler am/im/ins Bild. Er
schließt die unteren Schichten auf, legt den Grund offen, oder
verdeckt ihn. Mondrian verdeckt die Konstruktion in „New York City“
mit den Klebestreifen in Farben der einstigen Felder, doch der
Betrachter assoziiert die Blocks, die Vogelperspektive über den
Straßen der Stadt. Es ist vielleicht dieser industrielle,
maschinelle, städtische Charakter Mondrians, dem Newman das wilde
Aufreißen, Emporschnellen der darunterliegenden Natur entgegensetzt.
Ein stilles Aufbegehren des tiefen Grunds.
Doch schon am Anfang sah man ein Licht
am Ende der Enfilade. Man denkt an ein Fenster, Sonnenlicht, die
Natur, das Draußen, was sich bemerkbar macht, in die Ausstellung
einbricht, doch es sind, tritt man näher, zwei Leuchtstoffröhren.
„the nominal three. To Wilhelm of Ockham“ 1963. In den Raumecken
sind links eine und rechts drei Leuchtstoffröhren angebracht. Man
zählt von links nach rechts. Die Arbeiten von Dan Flavin
funktionieren nur noch mit dem Raum, auf den sie einwirken, weil sie
ausstrahlen. Die Ecken werden – wie auch im Innenhof des
Kunstmuseums – demateralisiert, ich würde aber eher von „geöffnet“
sprechen. Es sind die ungeahnten Türen, die Tore (Newman), die
Netze, Pläne (Mondrian), die bei Flavin ausgeschalten werden. Wie
ist das jetzt zu verstehen? Ich erwähnte die Leisten am Boden, die
Zips, die Balken, die Rahmen, die nun leuchten, strahlen. Flavins
Arbeit war doch nie die handelsübliche Leuchtstoffröhre! Es war die
Wirkung, die Öffnung des Orts indem sie sich befindet, Auflösung
jeder mythologischen Konstante, doch permanente Geladenheit als
Strahlung, die ständige Präsenz des Mystischen. Worauf kommt es bei
Flavins „untitled. To Barnett Newman“ 1971 nun an? Sehen sie sich
die Arbeit an: die Ausrichtung, wie es sich zum Raum verhält, das
Licht, wo es durch die Materialität der Leuchtstoffröhre verdeckt
ist, wo es zum Vorschein kommt.
Die Verbindung? Ist sie nun dem Effekt
des Sehens im Schein und Schimmern, in der Schwebe, in der Balance,
geschuldet? Dem Spiel mit Oberfläche und Grund – wie immer, wie
auch immer – sind wir immer unterlegen. Was wohl dahinter steckt?
Die Widmung als lapidarer Bezug ist alles was uns Flavin als
Etiquette stehen lässt. Wir beginnen zu grübeln, uns zu verlieren,
laufen aus, wie die Farbe und fragen uns beim Hinausgehen wie es wohl
ist, wenn jemand den Stecker zieht...